Montag, 26. März 2007

Die EU und der Verfassungsvertrag

Für viele ist es unverständlich, was derzeit in der EU für ein Hickhack um den Verfassungsvertrag entsteht, wie so vieles an der EU unverständlich für den Außenstehenden ist. Die Wurzeln für die derzeitigen Probleme liegen, wie so oft, tief in der Geschichte. Es ist der alte Streit der Ansichten über die EU als solche. Politisches System oder doch nur Freihandelszone? Der Streit zerfällt in traditionelle Lager, doch seit der Osterweiterung sind mehr hinzugekommen.
Während die "alte EU" um Deutschland, Frankreich, Italien und die Benelux-Länder seit jeher der politischen Integration zuneigt und somit eine Einigung des Kontintents auf vielen Ebenen, nicht nur wirtschaftlich, präferiert - eine Kerbe, in die ja auch GASP schlägt -, stand Großbritannien stets auf der Gegenseite: für die Briten wäre die EU am liebsten eine große Zollunion, Absatzmarkt und Freihandelszone, aber weitergehende Verpflichtungen oder gar die Abgabe von Souveränität ist für die Briten seit jeher ein delikates Thema.
Nun haben sie Unterstützung bekommen: besonders Polen stellt sich definitiv auf Abweichlerkurs. Wegen seiner verhältnismäßig großen Bevölkerung (der mit Abstand größten der neuen Beitrittsländer) verlangt es ein gewisses Mitsprache- und Stimmrecht. Dabei fällt die Häufigkeit der bilateralen Verträge und Abkommen mit den USA im scharfen Gegensatz zu den meisten EU-Staaten auf, die auch Großbritannien auszeichnet.
Würde nun eine Verfassung festgelegt, welche die politische Integration weitgehend festschreibt, untergrübe dies die Interessen der Integrationsgegner. Und das ist weitgehend auch der Hauptgrund, warum sie die Verfassung ablehnen respektive die entsprechenden Passi getilgt sehen wollen. Die Ablehnung in den Niederlanden und Frankreich hingegen war zum größten Teil Ausdruck eines Unbehagens über den stark ökonomisch ausgerichteten Verfassungstext und, vor allem, Ausdruck der Unzufriedenheit über die aktuelle Politik und die Distanz der EU, der so schlagkräftig Ausdruck verliehen wurde. Die Konsequenz der beiden Staaten: das nächste Mal wird die Verfassung im Parlament durchgepeitscht, anstatt das Volk zu befragen.
In die gleiche Kerbe schlägt die Debatte um eine europäische Armee: der Gedanke war bereits 1952 - am Widerstand des ewig chauvinistischen Frankreichs - zerbrochen, ist aber aktueller denn je, besonders wenn man den Vormachtsanspruch der USA in der NATO bedenkt, die europäische Konsultationen nicht dulden wollen. Gleichzeitig stehen auch hier Definitionsfragen ebenso im Vordergrund wie die Aufgabe der nationalstaatlichen Souveränität, die dieser Schritt mit sich bringt - und neue Bruchlinien innerhalb der EU.

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