Samstag, 17. März 2007

Machen Blogger die Welt besser?

Robert Misik gibt ein klares "Ja" als Antwort auf diese Frage, auf die auch Arne Hoffmann kurz referiert. Und er hat Recht damit. Sehen wir uns einige Auszüge aus seinem Beitrag genauer an.
Die Philosophie dahinter: die zunehmende Verbreitung von Technologien wie Video, Computer und Webspace untergräbt in herkömmlichen Demokratien die Macht der etablierten Medien, selbstherrlich die Auswahl zwischen Wichtig und Unwichtig zu treffen und sie untergräbt in Despotien das Nachrichtenmonopol von Diktatoren und Staatsapparat. Beides zusammen führt dazu, dass heute nichts mehr geheim bleiben kann. Das führt einerseits dazu, dass schlimme Dinge aufgedeckt werden, andererseits hat es möglicherweise sogar die Folge, dass nicht mehr so viele schlimme Dinge geschehen. Manche Übel werden womöglich vorausblickend abgestellt, weil klar ist, sie bleiben heutzutage nicht mehr geheim. Die Despoten schlagen zwar regelmäßig zurück, Blogger wandern ins Gefängnis, aber das Netzwerk von Netzwerken mit seinen Millionen Poren können sie nicht mehr zustopfen. Kurzum: Blogger machen die Welt besser.
Schon einmal das ist ein elementar wichtiger Bestandteil der Bloggosphäre. In einer Zeit, in der Massenmedien immer weniger Vertrauen genießen, hinter den Kulissen die wichtigen Entscheidungen ohne demokratische Konstrollinstrumente getroffen werden und die offizielle Politik zu einer Showveranstaltung degeneriert, ist ein neues, unabhängiges und nicht in seiner Gesamtheit beeinfluss- und kontrollierbares Kontrollinstrument vonnöten, vulgo: die Blogs. Denn diese stellen trotz aller Vernetztheit untereinander, trotz aller Kooperation letztlich ein Universum von Individuen dar:
Aber doch macht das Netz die Welt besser, und noch im Schlechtesten steckt ein Keim des Guten. Selbst der Netz-Reaktionär marschiert nicht im Gleichschritt sondern tippt seine eigene Botschaft ins Netz, und selbst wenn sie sich nur marginal von der Botschaft seines Nebenmannes unterscheidet, so ist es doch seine Subjektivität, die der Typ einspeißt. Der User ist immer zuerst Individuum und nicht nur Atom einer Stockmasse. Web-Skeptiker monieren, die Loblieder auf die Vielen, die sich im Web 2.0 beteiligen, auf die Partizipartion der großen Zahl, sei nur eine modische Variante des altbekannten, fragwürdigen Lobs der Masse. Aber das geht am Umstand vorbei, dass die Menge im Netz letztlich doch nicht als Masse agiert, sondern jeder für sich.
Selbstverständlich ist die Bloggosphäre kein in sich geschlossener Weltverbesserungskomplex. Das Internet hat es an sich, dass es ein "Marktplatz der Meinungen" ist, auf dem jeder die seine feilbieten kann. Und wie es die Gesetze der Marktwirtschaft wollen, ist es nicht immer das intelligenteste und beste Angebot, das die meisten Seitenzugriffe hat. Kommerzielle Blogger sind ebenso ein Problem wie die bereits oben angesprochenen reaktionären Blogs:
Vorsicht, rufen freilich so manche. In der Bloggosphäre gelten keine der Regeln und Grenzen, an die sich renommierte Medien normalerweise halten – wenn auch da und dort nur mit Ach und Weh. Auch in autoritären arabischen Gesellschaften stellen die Menschenrechtler nur einen kleinen Teil der Web-Zivigesellschaft. Längst sind islamistische Hassprediger oder Dschihadisten, die ihre Snuff-Videos von Enthauptungen und Selbstmordattentaten online stellen, die großen Renner im Netz.
Doch gehört gerade diese Vielseitigkeit dazu. Nirgendwo sonst ist es derzeit möglich, einen so freien und ungehemmten Austausch von Meinung zu betreiben wie über die Blogs. Versuche einzelner Länder, das einzudämmen, sind nur teilweise von Erfolg gekennzeichnet: die Anonymität und die Globalität des Phänomens erlauben virtuelle Umzüge in weniger repressive Staaten. Selbstverständlich sind die Blogs nicht der Grundstein einer neuen Informationsgesellschaft, die sich zur Rettung der Welt vereint und diese grundlegend zum Besseren hin revolutioniert. Aber sie sind ein wichtiges und kaum mehr wegzudenkendes, dabei stetig an Bedeutung gewinnendes Element im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Leben geworden:
Gewiss bedeutet das nicht, dass, quasi über den Umschlag von Quantität in Qualität, eine Art kooperative, virtuelle „Schwarm-Intelligenz“ entstünde, wie es die Wikipedia-Philosophie nahe legt. Das ist Web-Romantik. Aber es ist doch eine ebenso simple wie unabweisbare Wahrheit: Unbequeme Nachrichten lassen sich heute nicht mehr leicht unterdrücken. In unseren Breiten nicht – aber auch in China oder Saudi-Arabien nicht. Gewiss auch ändert das nicht immer viel: Relevant wird, was in der Bloggosphäre auftaucht, bislang jedenfalls erst, wenn es Eingang in die „normalen“ Medien findet – eine paradoxe Dialektik von „alter“ und „neuer“ Technologie. Dennoch: Im Blogzeitalter sitzen die Mächtigen unbequemer.
Dem ist nichts hinzuzufügen.



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