Donnerstag, 1. März 2007

Alle Jahre wieder: UN-Rüge an Deutschland

Wenn die UN Deutschland rügt, dann geht es immer um zwei Dinge: das Schulsystem und die Menschenrechte. In beidem ist Deutschland international alles andere als gut aufgestellt. Und beides hängt eng zusammen. Selbst in Berlin leugnet man indessen nicht mehr, dass die soziale Herkunft in Deutschland wie nirgendwo sonst in der industrialisierten Welt über die Zukunft entscheidet (in Stuttgart ist diese Erkenntnis naturgemäß noch nicht angekommen). Allerdings weigert man sich weiterhin standhaft, Konsequenzen daraus zu ziehen und viele der Rügen, die ständig ausgesprochen werden anzuerkennen, seien sie von der UN oder der EU ausgesprochen. Dabei ist eigentlich klar, dass das Dreigliedrige Schulsystem, ein Anachronismus sondersgleichen und abgesehen von Österreich in der entwickelten Welt einmalig, ein Kernpunkt des Problems ist. Das dritte Problem ist die Lehrerausbildung, die vielfach an der Praxis vorbeigeht und grundsätzlich reformiert gehört.
Getan wird nichts, um dem Entgegenzuwirken. Vielmehr wird den Problemen zugearbeitet. Die neueste Kritik der UN verurteilt auf äußerst harsche Weise die Studiengebühren und fordert einen deutlich stärkeren Ansatz, die Bildungssysteme kostenlos zu gestalten, wie es das internationale Abkommen, das auch Deutschland unterschrieben hat vorsieht:
Tatsächlich würde allein der [extern] Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte auch Deutschland verpflichten, den Hochschulunterricht "auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, allgemein verfügbar und jedermann zugänglich" zu machen. Wenig Raum also für die Einführung von Studiengebühren, denn ein Vertragsstaat ist verpflichtet, die Verwirklichung des Rechtes auf Bildung "bis an die Grenze seiner vorhandenen Ressourcen sicherzustellen". Muñoz sieht keinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Grenze hierzulande erreicht ist.
Auch die Einführung von Gesamtschulen wäre ein dringend notwendiger und logischer Schritt, um aus der Misere zu entkommen. Eine Neugliederung des Lehramtsstudiums ist ohnehin bereits lange überfällig.
Doch die Reaktionen der KMK und Berlins sind, wie üblich, mehr als enttäuschend. Man redet von Missverständnissen und wirft Munoz vor, vorurteilsbehaftet nach Deutschland gekommen zu sein. Wie man derart blind wie unsere Politiker an das Problem herangehen kann, sich selbst auf einer Insel inmitten des Meers der Bildungssysteme dieser Welt wähnend und dabei stets die Illusion aufrecht erhaltend, auf dieser Insel sei das Paradies auf Erden verwirklicht - das ist mit schleierhaft und eigentlich nur mit akutem Realitätsverlust zu erklären.

2 Kommentare:

  1. Ich möchte mich auf den Punkt "Eine Neugliederung des Lehramtsstudiums ist ohnehin bereits lange überfällig." allein beziehen.

    Ich beginne, wie auf unserer Seite www.deutschland-debatte.de üblich, mit ein paar Fragen:
    1. Was sind die Ziele der Neugliederung?
    2. Wir der Bildungsauftrag allein durch ein optimiertes Schulsystem ermöglicht?
    3. Wie sieht eigentlich die Bildungs- Prozesskette aus und was muss für jedes Element dieser Prozesskette zur Optimierung getan werden?

    Zu 1
    Sollte man sagen, dass das Ziel aller Dinge ein perfektes PISA Ergebnis ist, dann ist das ja wohl zu kurz gegriffen. Es würde den Rahmen hier sprengen, alle derzeit systemseitig ungelösten Sachverhalte aufzuzeigen.

    Zu 2 und 3
    Am Beginn der Bildungs- Prozesskette steht sicherlich die wichtige frühkindliche und vorschulische Erziehung und Bildung mit allen möglichen Lernebenen, von sozialem Lernen bis hin zum mehrsprachigen Aufwachsen. Wir wissen doch sehr genau, dass gerade das Potential der ersten Lebensjahre außerordentlich hoch ist und eigentlich kaum genutzt wird. In dieser Phase der Elterneinfluss überaus wichtig. Hier werden die Wurzeln für die Lebensentwicklung angelegt.
    Erst dann kommt die angesprochene Phase, in die die Lehrerqualität eingreift. Sie geht aber auch einher mit dem Lernen in der Familie und durch andere Beziehungen. Die Praxis zeigt, dass bereits oft zu Anfang des Schulbetriebs Lehrer auch soziale „Reparaturfunktionen“ ausüben.

    Wenn Lehrer, wie auch in dem Rütli Brief beschrieben, http://www.tagesspiegel.de/schule/archiv/27.02.2007/3108309.asp, nur noch mit Handy in dem Unterricht erscheinen, dann wird die Neugliederung des Lehramtsstudiums zu einer Forderung unter vielen.

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  2. Nun, die Unentgeltlichkeit des Hochschulstudiums ist doch hierzulanede weiter gediehen als sonst irgendwo. Oder ist etwa nicht damit gemeint, daß Hochschullehrer sich für lau oder als Ein-Euro-Jobber verdingen?

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