Montag, 2. April 2007

Wir knicken ein

Eine Meldung im Henryk M. Broder-Style bietet wieder einmal christlicher Fanatismus in Bayern:
Nach Besuch in einigen Grundschulen forderte der MdL Georg Stahl, dass der Religionsunterricht zugunsten von Deutsch-, Mathe- und Förderunterricht zusammengestrichen werden sollte - unter dem Schlagwort "Schluss mit Bildchenausmalen", da dort eh nichts sinnvolles gelernt werde.
Bezeichnend ist dabei weniger die Forderung als solche, da die privilegierte Stellung des christlichen Religionsunterrichts ohnehin Dünnschiss ist und drei Stunden in der Woche wirklich ausreichend bemessen sind, als vielmehr die Reaktion darauf: die bayrischen Konservativen (gibt es überhaupt andere?) und die Kirchen eröffneten sofort ein Dauerfeuer auf den MdL, als gelte es, das Abendland erneut vor den türkischen Janitscharen zu retten. Der ruderte auch flugs zurück. Eigentlich hat er das ja alles gar nicht so gemeint, der Religionsunterricht mit den ausgemalten Bildchen trägt ungemein zur Rettung unserer Werte bei und überhaupt.
Grund für dieses Scheingefecht mit klarem Ausgang liegt in der starken Stellung der Kirche in den traditionell konservativ dominierten Landesteilen Süddeutschlands. Warum der von Hitler mit dem Papst ausgehandelte Vertrag des Reichskonkordats immer noch Bestand hat, wissen allein die Betonköpfe aus der CDU-Fraktion, aber der beleidigte Ton eines Pfarrers trifft sich Sachlage wohl am besten: in weiten Teilen sei der Religionsunterricht bereits von drei auf zwei Stunden gestrichen worden, und das Deutsch der Schüler habe sich nicht verbessert. Armes Kerlchen.
Ich will nicht falsch verstanden werden: das Christentum ist eine der kulturellen Grundlagen der europäischen Zivilisation, und es vollständig mit Füßen zu treten wäre verhängnisvoll. Aber die Heilige Schrift und vollkommen veraltete Auslegungen, alte Verträge und allgemein einen gesellschaftlichen Umgang von vorvorgestern zu institutionalisieren, anstatt aufgeklärt und informativ über Religion zu reden, spottet jeder Bildungspolitik.

6 Kommentare:

  1. Da ich in der Oberpfalz aufgewachsen bin, kommt mir das irgendwie bekannt vor. Da ich damals noch bekennder Scheinchrist war, kam ich auch in den Genuß von Religionsunterricht - erinnern kann ich mich daran nicht mehr :-) Geschadet hat es mir wohl auch nicht, bin ich jetzt mit ganzem Herzen Nihilist.

    Woran ich mich erinnern kann, war mein Klassenleiter, ein "Grüner", bei dem ich Deutsch und Sozialkunde genoß. Er war aber eher die - vollintegrierte - Ausnahme an meiner Schule...

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  2. An einen Religionsunterricht erinnere ich mich, ein paar Jahre vor meinem grünen Klassenleiter: Wir hatten einen Ersatzlehrer für eine Stunde, und der hat mit uns gepedelt (Ja, das aus der Esoterik) ... :-)

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  3. Ich glaube, der Herr MdL hatte gar nicht so unrecht, hat sich aber mal wieder die Blöße gegeben, nicht zu denken, bevor er geredet hat. "Bildchenausmalen" und "Liedchen singen" ist in der Tat vielfach das Substrat des Reliogionsunterrichtes. Das von irgendwelchen religiösen Inhalten kaum etwas hängen bleibt, durfte ich der (schon etwas zurückliegenden) Vorbereitung auf meine Firmung erfahren. Da musste erst einmal die Frage geklärt werden "Was ist das eigentlich... ein Jesus?". Aua, sag ich mal.
    Statt den Reliogionsunterricht jetzt aber zu streichen, wäre es vielleicht angebrachter, über seine Konzeption nachzudenken und ihn langfristig zu einer Institution innerhalb des Schulunterrichtes umzuformen, in der Schülern zum Beispiel mal erklärt wird, was denn das bitte ist, ein "Christ" oder ein "Muslim", in dem die Werte und ethischen Normen unserer Gesellschaft, gerne vor dem Hintergrund ihrer Entwicklung aus christlichen Traditionen, thematisiert und diskutiert werden. Ich wage zu behaupten, dass die Religionsfreiheit dieses Landes massiv darunter leidet, dass viele Menschen gar nichts damit anzufangen wissen. Wo, wenn nicht im Religionsunterricht, sollte man sich mit dieser Problematik befassen?
    Also Herr MdL... das nächste Mal sprechen wir lieber von "Reform" und "gemeinsam neu gestalten", das verstehen die Kirchenwichte, das finden sie toll und *schwups* steigt die Beliebtheit. Gelle?

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  4. Man sollte Religionen nur noch als Sachthema behandeln, z.B. im Rahmen des Ethik-Unterrichts. Schwerpunkte sollte da dann aber Ethik und Humanismus sein, damit die Jugend lernt, dass man auf das Gerede der Seelenfänger nicht mehr viel geben muss und dieses nur Teil der Geschichte war, bis die Aufklärung der Menschen abgeschlossen ist. Auch sollten Kinder nicht mehr vor dem 18 Lebensjahr getauft werden oder automatisch den Glauben der Eltern annehmen können. Ob und an was ein Mensch glauben will, das sollte er nach dem 18. Lebensjahr selbst entscheiden. Vielleicht würden sich dann die Religionen auch mal wieder mehr in Richtung der Ringparabel bemühen, sich von ihrer besten Seite zu zeigen. Wenn ich mir ansehe, welcher Unfug mit Religion in junge Köpfe gepflanzt wird, so würde ich gar dazu tendieren, Religionsunterricht als Körperverletzung zu bezeichnen.

    Gruß

    Alex

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  5. Dummerweise ist Religion nicht allein als Sachthema greifbar. Glauben ist keine Frage des Intellektes, elterliche Beeinflussung keine Frage einer Taufe im Kindesalter und die aus mir nicht ganz verständlichen Gründen voranschreitende Wut auf die Religion auf dem Vormarsch. Die Reliogion an und für sich ist nicht das Problem. Problematisch sind allenfalls dogmatische Verkünder derselben, die zum einen die einzig wahre Wahrheit für sich in Anspruch nehmen und dabei gleichzeitig alles verdammen, was von der Linie abweicht und die zum anderen eine religiöse Praxis vorgeben, die nicht mehr angemessen erscheint. Wieder ein Thema, über das man im Religionsunterricht diskutieren könnte...

    PS: Ich ganz persönlich würde mich, so ich das nicht längst wäre, auch jetzt noch taufen lassen. Der christliche Glaube an sich ist nicht böse - die ihn repräsentierende Institution hat allerdings ihre Mängel, das gebe ich durchaus zu.

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  6. Ich stimme dir in deiner Religionsanalyse vollkommen zu.

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