Samstag, 13. Januar 2007

"Großer Schlag" gegen Kinderpornographie

Die Medien ging die Nachricht rauf und runter: in einer gewaltigen Polizeioperation ("Mikado") wurden 22 Millionen Kreditkarten (alle in der BRD) darauf durchleuchtet, ob ein bestimmter Betrag auf ein bestimmtes Konto überwiesen wurde (das der illegalen Kinderpornosites); die Kreditkartenunternehmen kooperierten "bereitwillig". Bei 322 Verdächtigen wurden Hausdurchsungen durchgeführt.
Hier endet die Mär in den Medien, allenfalls schimmert in den rechts dominierten Teilen der Leitmedien zwischen den Zeilen Befriedigung über dieses Sieg des Gesetzes über das Verbrechen durch. Immerhin handelt es sich um ein Verbrechen, das sich wie kaum ein zweites zum Hochputschen von Emotionen und gedankenlosen Zustimmen eignet. Rekapitulieren wir die Fakten:
1) Der Unschuldsaspekt, auf dem unser ganzes Rechtssystem basiert (in dubio pro reo), wurde mal eben schnell für einen generellen Tatverdacht gegen 22 Millionen ausgetauscht.
2) 322 Verdächtige wurden aus diesen 22 Millionen herausgefiltert. Die Relation als solche ist bemerkenswert.
3) Die Kreditkartenfirmen kooperierten "bereitwillig". Der Datenschutz als solcher wird inzwischen vollkommen reflexionslos jedem Begehren des Staates geopfert. Erst vor kurzer Zeit war dies beispielsweise bei der Telekom zu sehen.

Zwei Probleme ergeben sich bei näherer Betrachtung zusätzlich.
1) Die Aktion steht in keinem Verhältnis von Ausmaß zum Ergbnis. Denn allein das Ansehen solcher Sites ist gar nicht strafbar, der Besitz (ohne Weitergabe) wird wie Sachbeschädigung geahndet - und das bedeutet eine Geldstrafe oder bis zu zwei Jahre Haft. Da sich die Justiz in letzter Zeit ständig zum willfährigen Gehilfen des "starken Staats" macht, wird wohl die Höchststrafe vergeben, unabhängig von der tatsächlichen juristischen Situation.
2) Der Schlag richtet sich allein gegen die Konsumenten. Damit verfällt die Politik wieder einmal dem Reflex, Symptome zu bekämpfen anstatt die Ursachen. Das ist klar; Ursachen zu bekämpfen ist schwierig, anstrengend, lang andauernd und braucht Sachverstand und Unbestechlichkeit. Die ständigen "großen Erfolge" gleichen sich: ob man die kleinen Dealer, Terrorhelfer oder Pornokonsumenten einsackt, die großen Hintermänner und Anbieter bleiben immer ungeschoren. Dabei hat der Spiegel vor einigen Monaten einen Artikel veröffentlicht (das Thema "Kinderpornographie" ist ein beliebter Dauerbrenner, wohl wegen dem wohligen Grusel, den es hervorruft), in dem ausführlich erläutert wurde, dass die sexuelle Orientierung determiniert ist und nicht willentlich geändert werden kann. Das macht die Konsumenten teilweise zu Opfern, im Gegensatz zu den Anbietern, und versorgt selbige im Endeffekt mit unendlich Nachschub. Anstatt jedoch die Quelle versiegen zu lassen werden lediglich die Konsumenten belangt. Auf diese Art lassen sich allenfalls Pyrrhussiege erzielen, die zwar vom medialen Dauerfeuer als großartige Siege verkauft werden, jedoch letzten Endes nichts bringen. Bedenkt man dazu die leichtfertige Aufgabe von Bürger- und Grundrechten wie dem Datenschutz, kann man für derartige Aktionen nur Verachtung empfinden.

2 Kommentare:

  1. Verachtung... nun ja. Datenschutz? *Gähn*.... Man kann sicherlich darüber streiten, ob Konsumenten von Kinderpornographie sich als Opfer ihrer sexuellen Orientierung sehen dürfen (und auch, ob ich sie gerne als Opfer eines Autounfalls sehen möchte...), man kann weiterhin fragen, ob es rechtens ist, zu fragen, wer von 22 Millionen eine bestimmte Finanzhandlung durchgeführt hat, um dann 322 Personen auf dieser Basis vor die Kniescheibe zu treten. Aber, mal ganz unter uns: Jetzt, man höre und staune, weiß die Polizei von den meisten dieser Kreditkartenbesitzer folgendes: XY hat kein Geld auf das Konto des Kinderpornohändlers überwiesen. Oh... mein Gott... was, wenn sie dieses Wissen nun gegen mich verwenden wollen? Bestimmt werden sie es archivieren und eines fernen Tages, wenn ich im Kreise der Familie am Feuer meines Kamines sitze, werden Männer in dunklen Anzügen über mich hereinbrechen und mein Leben mit den Worten "Sie haben kein Geld für Kinderpornographie ausgegeben!" zerstören... naja... beinahe, jedenfalls. Also, so ungemein dramatisch kann ich das jetzt nicht finden.
    Das natürlich ein Schlag gegen die Produzente weit wirkungsvoller und wünschenswerter ist als ein Schlag gegen den Markt, ist unbestreitbar richtig. Nur: Leider ist es nicht ganz so einfach, insbesondere international, zum Teil also jenseits deutscher Gerichtsbarkeit, agierende Kriminelle zu verfolgen. Mit dieser Begründung jedoch die Verfolgung der Käufer einzustellen halte ich für ein falsches Signal. Insofern sollte man zumindest die öffentliche Wirkung einer solchen Aktion nicht geringschätzen. Die Botschaft ist klar: "Wir finden Dich!" Unabhängig davon, was im Anschluss passiert ist dieser Teil doch der vor dem sich alle Beteiligten fürchten. Und wenn es die Stimmung gegen diese Menschen aufgeheizt hält, soll mir das nur recht sein. Insofern - lassen wir die Polizei doch einfach ihre Arbeit machen...

    AntwortenLöschen
  2. Ich finde, du machst es dir zu leicht. Es geht mehr um Sachen, dass die schauen können, wer alles was genau gekauft hat - die Daten liegen für sie ja offen da. Nehmen wir nur mal an, eine Polizistin erwischt den Mann einer Bekannten dabei, dass er in einem Bordell bezahlt hat...ups. Oder der politische Nutzen, den jemand mit Polizeikontakten evtl. aus irgendwelchen schmierigen, aber legalen Aktionen ziehen könnte.
    Dazu kommt deine Meinung bzgl. der sexuellen Orientierung: der Artikel hat damals ziemlich klar gemacht, dass sie eben nichts dafür können, sondern dass es eher genetisch veranlagt ist. Denen deswegen den Tod zu wünschen halte ich für deutlich übertrieben, wenn nicht sogar amoralisch.
    Und dass das Vorgehen gegen die Anbietet schwieriger ist weiß ich auch, und das hab ich auch geschrieben - aber wenn man alle Daten zu einer obskuren "Terrordatei" zusammenlegen kann, warum dann nicht auch gegen existierende Verbrecher?

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.