Montag, 8. Januar 2007

Löhne und kein Ende

Dass sich das Problem der "working poor" immer weiter verschärft, das bezweifeln nicht einmal die Chefkosmetiker von Ifo, DIW, IW, Regierung und was der neoliberalen Propagandainstitute mehr sind. Die Vorschläge, wie sich das Problem, mit einer Vollzeitstelle nicht genug Geld zum Leben zu haben lösen lässt, unterscheiden sich jedoch wie Tag und Nacht.
Hans-Werner Sinn von Ifo beispielsweise wird nicht müde, eine staatliche Subventionierung von Niedriglohnstellen zu fordern, damit Deutschland als Standort attraktiver werde (Oeffinger Freidenker berichtete). Die dadurch entstehenden Mitnahmeeffekte nimmt er billigend in Kauf, was nicht verwunderlich ist, da es das Geld der Steuerzahler wäre, das sie finanziert - zu denen er sich wahrscheinlich längst nicht mehr zählt. Was dieses Konzept bringen würde, sagt der gesunde Menschenverstand (und wem der nicht reicht, eine Studie von ver.di): weiter fallende Löhne, vollkommen unkalkulierbare Kosten, wahrscheinlich mehr Arbeitslose und, was wohl der Sinn hinter dem Ganzen ist, ungemein steigende Gewinne der Wirtschaft. Nicht nur, dass der kleine Mann weniger Geld bekommen soll, nein, er soll auch noch mehr dafür zahlen. Quasi ein neoliberales Perpetuum mobile.
Der Gegenvorschlag von ver.di: ein festgeschriebener Mindestlohn von 7,50€ (zum Vergleich: die Linkspartei fordert zwischen 8,00€ und 10,00€), der menschenwürdige Arbeitsverhältnisse ermöglicht, um die 70.000 neue Jobs schafft und zudem vier Milliarden Euro mehr in die stark gebeutelten Sozialkassen schwemmen würde, anstatt mindestens den gleichen Betrag für eines der größten Steuergeschenke an die Reichsten der letzten Jahre durchzuführen. Dies würde zu mehr Freiheit bei den Menschen führen und vielleicht auch endlich wieder zu aktiverer Teilnahme am politischen Leben und dadurch zu mehr Demokratie.
Aber vermutlich wird der Vorschlag aus genau diesen Gründen nicht umgesetzt werden. Extrem schmerzlich dabei ist, dass Sinns Idee nun ausgerechnet von der SPD propagiert wird, die damit ihre soziale Demokratie wohl endgültig begräbt.

3 Kommentare:

  1. Wir haben genügend Friseure, Köche oder Verkäufer in diesem Land. Hut ab vor deren Leistungen und Anstrengungen, aber noch mehr davon bringen uns leider nicht weiter. Wir brauchen vor allem Menschen in technischen Berufen, die echten Fortschritt schaffen. Denn eines ist völlig unzweifelhaft: Individuelle und volkwirtschaftliche Bildungsbemühungen schlagen sich in der Art der Arbeitsplätze und im Wohlstandsniveau nieder.

    Welche positiven Auswirkungen - kurzfristig und langfristig - sollte ein Mindestlohn denn haben? Die Mehrwertsteuererhöhung um nur 3 Prozentpunkte, und damit eine staatlich verordnete Preiserhöhung, ist der Untergang der deutschen Wirtschaft, aber eine viel deutlichere staatliche Zwangserhöhung des Arbeitslohns wirkt natürlich vollkommen gegenteilig. Logisch! Ein Mindestlohn erhöht die Preise für Güter und Dienstleistungen, mit negativen Nachfrageeffekten. Alternativ oder sogar zusätzlich verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen für diejenigen weiter, die dann noch Arbeit haben. Was ferner gerne ignoriert wird: Menschen mit einer geringen Produktivität werden weiterhin vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, weil eine Friseurin mit einem Zeugnisschnitt von 4 eben schlechter bei den Kunden ankommt als eine Friseurin, die zehnmal "Friseurin des Landes" geworden ist. Ein Lohn ist eine Entlohnung für die wertschöpfende Arbeit des Arbeitnehmers. Falls diese in Preisen gemessen geringer ist als die staatlich vorgeschriebene Entlohnung, dann wird der Arbeitnehmer erst gar nicht eingestellt. Wir haben dann zwar einen ganz vorzeigbaren Mindestlohn für produktive Arbeitskräfte, aber schlecht Qualifizierte werden noch mehr vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Tolle Solidarität.

    Außerdem hat der Lohn auch eine Signalfunktion: Bildungsbemühungen müssen sich lohnen. Die qualifikationsspezifischen Arbeitslosenraten sprechen eine deutliche Sprache und lassen sich auch nicht durch Einzelschicksale wegdiskutieren. Wenn jedem Arbeitnehmer 7,50 Euro die Stunde zugesichert werden, dann kann man mit der Illusion weiterleben, ein einfacher Job reicht zum Leben aus und ist sozusagen staatlich garantiert: Serkan stellt nun vollständig sein Lernen in der Berufsschule ein und Mandy wird lieber Näherin als Produktdesign zu studieren, weil der Lohnunterschied nicht zu groß erscheint.

    Und selbst wenn man einen Job zum Mindestlohn hat, schränkt dieser Mindestlohn zukünftige Bildungsbemühungen ein: Man hätte zwar als junger Arbeitnehmer mit einem Mindestlohn mehr, aber bleibt jahrzehntelang auf dieser Stufe stehen, so dass das Lebenseinkommen insgesamt geringer ist als ohne Mindestlohn.

    Dass es in anderen Ländern auch den Mindestlohn gibt, besitzt hinsichtlich der Sinnhaftigkeit dieser Veranstaltung überhaupt keine Aussagekraft; im Irak, in China und in den USA gibt es schließlich auch die Todesstrafe - sollten wir sie deshalb auch bei uns einführen? Zumal es auch nicht DEN Mindeslohn gibt, die Ausgestaltung des Mindestlohns und die übrigen Gegebenheiten der nationalen Arbeitsmärkte sind sehr verschieden.

    Es gibt wahrlich bessere Instrumente als den Mindestlohn, um den Menschen ein ausreichendes Arbeitseinkommen und sichere Arbeitsbedingungen zu garantieren. Sie funktionieren nach dem Prinzip: Weniger staatliche Bevormundung, Belohnung der Leistungsbereiten und Anstrengung.

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  2. Ich kann deine Argumentation nicht ganz nachvollziehen. Der von dir prognostizierte Rückgang der Nachfrageeffekt, den deine Argumentation zwingend ergibt, empfinde ich nicht auch nur im geringsten als logisch verknüpft.
    Wenn ein Mindestlohn an der allgemeinen Beschäftigungssituation nichts ändert, weder im positiven noch im negativen, jedoch dafür sorgt, dass diejenigen, die einen Job haben von diesem auch leben können, so ist das für mich Grund genug.
    Dein blinder Glaube in die Heilkräfte des Markts ist zwar rührend, aber falsch. Zum einen sind 7,50 Euro in der Stunde (brutto!) nicht gerade eine solch exorbitante Summe, dass ein sich auf die faule Haut legen gerechtfertigt wäre (und wer es trotzdem tun will: bitte. Das ist ein freies Land). Zum anderen ist es nun einmal so, dass wir zwar viele Friseure, Köche und Verkäufer haben, derselbe Effekt sich aber auf die technischen Berufe ausweitet, wenn du alle reinsteckst - was hypotethisch ist, da in unserem sozial ungerechten und extrem selektiven Schulsystem die Grundlagen für die von dir so Klischeehaft bezeichneten Serkan und Mandy gar nicht bestehen, jemals so hochkomplexe und anspruchsvolle Fächer zu studieren.

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  3. Eine Frau die was von wirtschaftlichen Zusammenhängen versteht... ein dickes Großes Lob an deine Ausführung zum Mindestlohn.

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